Die Welt hinter dem Spiegel
(Von L. K., 5B)
Es war ein schöner Septembertag. Anne, ihre kleine Schwester Marie und ihr bester Freund Tobi hatten sich verabredet. Sie wollten sich auf dem nahegelegenen Sportplatz treffen, so wie sie es fast jeden Samstag taten. Sie spielten Basketball, Fangen oder Verstecken.
An den Sportplatz grenzte ein Grundstück, auf dem ein altes Haus stand, es war unbewohnt, oder zumindest wurde vermutet, dass es unbewohnt war, da es mit zahlreichen wuchernden Pflanzen überwachsen war.
Um fünf Uhr nachmittags trafen sich die drei Freunde auf dem Sportplatz. Sie spielten, so wie sie es immer taten, so lange bis es dunkel wurde, eigentlich hätten sie nun nach Hause gehen sollen, doch Tobi hatte eine Idee. „Wie wäre es, wenn wir uns das alte Haus dort drüben mal von Innen ansehen?“, sagte er.
Anne dachte, dass es keine gute Idee sei in das Haus zu gehen, da ihre Eltern sie schon öfter darauf hingewiesen hatten, es nicht zu tun, zumal es auch schon dunkel war. Doch Marie und Tobi beharrten darauf, das Haus zu betreten. Obwohl sie alle Angst hatten, betraten sie das Grundstück und schließlich auch das Haus.
Es war dunkel in dem Haus, alle Möbel waren verstaubt und es schien weder Elektrizität noch fließendes Wasser zu geben. Der Raum, in dem sie sich nun befanden, war sehr groß und voll, überall standen große schwere Sessel und dazu passende Tische. Gegenüber der Tür, durch die sie das Haus betreten hatten, lag eine breite Treppe, die nach unten führte.
Anne ging auf die Treppe zu, als sie direkt davorstand, nahm sie ein leises Brummen war, das aus der Tiefe zu kommen schien. Kurz zögerte sie, doch die Neugier trieb sie voran. Langsam, Stufe für Stufe trat sie hinab und die anderen beiden folgte ihr.
Jetzt befanden sie sich in einem höhlenartigen Kellerraum, es war deutlich kälter als zuvor und die Luft war feucht. Die Wände des Raums waren aus Stein, ganz so als wäre dieser Raum aus dem Fels gehauen worden. Auch das Brummen war lauter geworden.
Der Kellerraum war nicht besonders groß, und er war nicht leer, ein hoher, breiter, und mit Goldrahmen versehener Spiegel lehnte an einer der Wände. Das Brummen schien von ihm auszugehen.
Als Tobi, Anne und Marie sich vor den Spiegel stellten, merkten sie, dass etwas mit diesem Spiegel nicht stimmte, denn obwohl er die Treppe hinter ihnen zeigte, war keiner der drei Freunde im Spiegelglas zu sehen.
Marie ging auf den Spiegel zu, sie wollte ihn berühren, doch ihre Hand glitt einfach durch das Glas hindurch. Sie erschrak und ging drei Schritte rückwärts.
Jetzt hatten sie alle Angst, Anne und Marie beschlossen, die Treppe wieder nach oben zu steigen und dann auf dem schnellsten Weg nach Hause zu kommen, doch Tobi war neugierig geworden, er wollte wissen, was in oder hinter dem Spiegel war.
Die Mädchen hielten das für keine gute Idee und so ließen sie Tobi allein in dem Kellerraum zurück.
Dieser trat näher an den Spiegel heran. Erst streckte er nur eine Hand durch das Glas, dann ein Bein und schließlich schritt er ganz hindurch.
Er fand sich in einem großen dunklen Wald wieder. Dichter Nebel umhüllte ihn. Es war kalt. Tobi begann zu zittern, er wollte zurück, doch als er sich umdrehte, war da kein Spiegel mehr, nur dicke Bäume und Nebel. Er hatte Panik. Schnell griff er zu seinem Handy, er wollte jemanden anrufen, seine Eltern oder die Rettung. Einfach irgendwen. Er hatte zwar nicht die Hoffnung, dass es an diesem Ort Handyempfang gab, aber er wollte es probieren. Leider erfüllten sich seine Befürchtungen. Kein Empfang.
Er hatte Angst, große Angst. Er begann zu rennen, irgendwohin. Er wusste nicht, wohin er rannte, er hoffte nur, dass er, wenn er in eine Richtung rannte, irgendwann irgendwo ankommen würde. Irgendwo, wo Menschen waren, die ihm helfen konnten.
Er rannte und rannte. Der Nebel wurde dichter. So dicht, dass er bald nicht mal mehr seine eigenen Hände vor Augen sehen konnte. Tobi blieb nicht stehen, da passierte es.
Er stolperte und fiel. Er fiel hinab, vielleicht in eine Schlucht, oder vielleicht hinab von dem Ende der Welt, in der er sich befand.
Er würde es nie erfahren.
Ein Aufprall, dann Stille.
Er sah nichts mehr und er konnte seinen Körper nicht fühlen. Er konnte sich nicht bewegen, alles war dunkel.
Wie er da so lag, war er einsam und unglücklich. Langsam schwand ihm das Bewusstsein.
Dann war alles aus.
Es wurde nie herausgefunden, was mit dem Jungen geschah, der in den Spiegel gestiegen war, denn als die Beamten in das Haus gingen, in dem er verschwunden war, fanden sie nur jede Menge Staub und einen ganz normalen Spiegel im Keller. Es wurden nie Überreste von ihm gefunden, keine Leiche, keine Kleidungsstücke, Stofffetzen oder auch nur ein einziges Haar.
Es war, als wäre er diesem Leben und dieser Welt entfallen.
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